Alltag mit Allergien

Trügerische Allergendeklaration

Wer verarbeitete Produkte kauft – und sei es nur eine Packung Mehl – muss als Allergiker die genauen Inhaltsangaben lesen. Glücklicherweise steht da ja alles drauf, was drin ist. Oder etwa nicht?

Welch ein Glück! Ich entdecke ein eine Zartbitterkuvertüre beim hiesigen Grossverteiler, die keine Allergene enthält! Ist das möglich? Ich bin misstrauisch, denn Schokolade ist grundsätzlich sehr schwierig ohne Allergen-Spuren (v.a. Nüsse, Milch) zu bekommen. 

Ich frage nach. Kontaktiere den Produzenten vorab per Mail und frage nach möglichen Spuren. Er bestätigt mir, was ich bereits weiss: Allergene werden nur dann deklariert, wenn bei einer Stichprobe mehr als 1g des Allergens in einem Kilogramm des Produkts gefunden wird. So schreibt es das Schweizer Gesetz vor. 

Woher kommen Spuren?

Spuren können in einem Produkt landen, wenn beispielsweise in derselben Produktionsstätte noch andere Lebensmittel verarbeitet werden. Wenn also ein Schokoladenproduzent nicht nur Zartbitterschokolade verarbeitet, sondern auch solche mit Nüssen und Milch.

Es sind übrigens 14 Hauptallergene, die diese Kennzeichnungspflicht seit 2017 bzw. 2018 betrifft: Eier, Milch, Erdnüsse, glutenhaltiges Getreide, Fisch, Krebstiere, Weichtiere, Soja, Sesam, Senf, Sellerie, Schalenfrüchte (Nüsse), Lupine, Schwefeldioxid. Dazu gehören auch die Erzeugnisse aus diesen Lebensmitteln. Diese 14 sind als die häufigsten und schwerwiegendsten Allergieauslöser definiert worden. Grundsätzlich kann man aber auch auf andere Lebensmittel allergisch reagieren, wie auf Mais oder Reis. 

Was bedeutet das?

Die Allergendeklaration hat ein Problem: den Schwellenwert. Der ist hierzulande so hoch angesetzt, dass selbst ohne Spurendeklaration eine allergische Reaktion durchaus realistisch ist. 

Zum Vergleich: In der EU richten sich die Behörden nach Empfehlungen (keine gesetzlichen Werte!), die deutlich tiefer sind. Diese orientieren sich an jenem Wert, der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen keine allergische Reaktion hervorruft. Diese Empfehlung liegt beispielsweise bei Milch bei 2.5 mg/kg – in der Schweiz sind es 1000 mg/kg.

Konkret heisst das also, dass in der EU 400 Mal weniger des Allergens in einem Produkt vorkommen darf, als es hierzulande gesetzlich festgehalten ist. Ergänzend möchte ich hier festhalten, dass in der EU die Richtwerte je nach Allergen variieren.

Allergendeklaration (z.B. von Milch) im Vergleich:
CH Deklaration ab 1000 mg/kg
EU Deklaration ab 2.5 mg/kg

Beispiel:

Ein veganes, kokosbasiertes Joghurt von 150 g kann in der Schweiz ohne Deklaration trotzdem 150 mg Milch enthalten, in der EU wären es nur 0.4 mg. Man kann sich denken, was die Folgen für Allergiker sind.

Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) antwortet auf meine Anfrage hin, dass es keinen Handlungsbedarf gäbe und man eine Überdeklaration vermeiden möchte. Ich als Betroffene sehe aber durchaus Verbesserungsmöglichkeiten bei der Allergendeklaration. Ich möchte nicht jedes einzelne Produkt persönlich nochmals abklären müssen.

Ich bin weiterhin im Austausch mit dem BLV und anderen Stellen. Ich halte euch gerne auf dem Laufenden!

Noch als Ergänzung, da Gluten im Beitragsbild genannt wird: Gluten muss bereits ab 200 mg/kg deklariert werden.

Genauere Informationen findet ihr hier: Verordnung des EDI betreffend die Information über Lebensmittel

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